Bild von Dr. Florian Breitenecker, Allgemeinarzt in der Teampraxis Breitenecker in 1060 Wien

Nachgefragt: Interview mit Dr. Florian Breitenecker zur PrEP-Kostenerstattung

14. Oktober 2024

Die PrEP war ein besonderer Meilenstein in der HIV-Prävention. Die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) bezeichnet Medikamente, die vorbeugend eingenommen werden können, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. 

 

Die Medikamente kamen in Österreich vor einigen Jahren auf den Markt - eine Monats-Packung kostete jedoch über € 1.000 und musste privat bezahlt werden. Durch ein Pilotprojekt mit einem Generikahersteller konnten wir die PrEP in der Marienapotheke ab 2018 deutlich günstiger anbieten und damit mehr Menschen, die sie benötigen, zugänglich machen. Seit April diesen Jahres übernehmen nun die Krankenkassen die Kosten der Medikamente. 

 

Wir haben Dr. Florian Breitenecker, Allgemeinmediziner mit HIV-Spezialisierung, um eine Einschätzung gebeten, was sich seither verändert hat und welche PrEP-Zielgruppen noch präziser angesprochen werden müssten. 

Seit April 2024 werden die Kosten der PrEP von der Krankenkasse übernommen. Sind dadurch neue Patient*innen hinzugekommen, die nun keine finanzielle Hürde mehr haben?

Naja, grundsätzlich kann man sagen, dass sich das seit der Gesetzesänderung, seit die Kosten erstattet werden, gut eingespielt hat. Das heißt, die Rückerstattung über die Krankenkassen, das funktioniert. Da bekommen wir Rückmeldungen, dass das ohne Probleme klappt. Die Betroffenen sind natürlich schon dankbar, dass das übernommen wird. Das war sicher eine wichtige gesundheitspolitische Entscheidung.

 

Es ist jetzt schwer zu sagen, ob diese Maßnahme oder inwieweit diese Maßnahme zu einer Steigerung an PrEP-Gebrauch geführt hat. Ein Kollege von mir hat gemeint, er hat schon das Gefühl, dass das so der Fall ist. Es gibt schon Leute, für die das einfach eine finanzielle Barriere war und die sich jetzt für den PrEP-Gebrauch entschieden haben und die das vorher nicht getan haben. Da bin ich überzeugt davon und kenne auch Einzelfälle, wo das so war.

Die PrEP ist auch durch die Berichterstattung in den Medien einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Fragen nun etwa auch neue Zielgruppen nach der PrEP, z.B. Frauen?

Das Problem bei den Frauen ist… wir haben doch immer wieder Frauen, die sich für die PrEP interessieren. Allerdings kann man die PrEP bei Frauen nur als tägliche Einnahme verschreiben und dadurch entscheiden sich die meisten oder eigentlich alle, die ich kenne, dagegen. Wenn es eine anlassbezogene PrEP für Frauen gäbe oder wenn es Studien gäbe, die belegen, dass diese Form auch für Frauen sicher ist, dann wäre das ein Game Changer. So wie es momentan ist, nämlich, dass Frauen nur eine tägliche PrEP einnehmen können, um wirklich geschützt zu sein, da ist die Hürde dann doch wieder zu groß für die meisten. Die Kostenerstattung hat an diesem Problem nichts geändert. Da müsste ein wissenschaftlicher Fortschritt passieren, dass sich da für Frauen mehr Möglichkeiten ergeben.

Bedeutet das, dass generell mehr anlassbezogene PrEP verschrieben wird?

Es ist ungefähr 50/50. Es gibt tatsächlich viele, die das nur anlassbezogen nehmen. Das ist nach wie vor nur eine off label Anwendung, aber es ist eine großartige Möglichkeit, dass es das gibt. Und es gibt ja auch Studien, die belegen, dass die anlassbezogene Einnahme genauso sicher ist wie die tägliche. Es gibt sehr viele, die so selten Risikokontakte haben, dass sie sich gegen eine PrEP entscheiden würden, müssten sie sie täglich einnehmen. Und mit einer Packung PrEP zum Beispiel ein Jahr auszukommen und dann doch in den entscheidenden Momenten geschützt zu sein – das ist schon eine ganz wichtige Möglichkeit, die anlassbezogene PrEP.

In den Startlöchern steht auch schon eine langzeitwirksame PrEP, die nur alle 6 Monate als Spritze verabreicht wird. Gibt es da bereits Interesse seitens der Patient*innen?

Ja, das war sicher ein Durchbruch. In München beim AIDS-Kongress gab es Standing Ovations als das präsentiert wurde. Das ist sicher auch wieder ein Game Changer. Aber bisher haben die Leute nur vereinzelt davon gehört und sprechen uns darauf an. Es ist ja meines Wissens auch noch unklar, wann das dann de facto verfügbar sein wird auf unserem Markt. Das wird sicher noch eine Weile dauern, daher verbreiten wir diese Info auch noch nicht so proaktiv. Aber das ist sicher auch eine spannende Weiterentwicklung, also nicht nur für uns hier, sondern auch in den betroffenen Ländern des Südens. Da ist dann natürlich wieder die Kostenfrage der limitierende Faktor, aber da ergeben sich trotzdem neue Möglichkeiten der Prävention, die interessant sind. Aber ich glaube, dass das tatsächlich auch bei uns dann sehr in Anspruch genommen wird.

Voraussetzung für die Verschreibung der PrEP ist ein Screening auf STIs. Werden STIs dadurch tatsächlich öfter gefunden? wie sieht das Screening bei der anlassbezogenen PrEP aus?

Im Prinzip haben wir die 3-monatigen Screenings bei beiden Varianten, also auch bei der anlassbezogenen PrEP würden wir alle 3 Monate einen Check machen. Natürlich legen wir das aber auch ein Stück weit in die Eigenverantwortung der Betroffenen. Wenn sie sagen, sie haben jetzt 3 Monate lang keinen Risikokontakt gehabt, dann können wir das auch hinauszögern und Screenings in Abständen machen, die dem Risikoverhalten entsprechen.

sexuell übertragbare Erkrankungen steigen weltweit.  wie empfindet ihr das Risikobewusstsein dazu? werden mehr screenings angefragt?

Ich glaube, dass sexuell übertragbare Erkrankungen in der Medizin ein stiefmütterliches Dasein fristen. Es gibt nur wenige Behandler*innen, die das Thema aktiv ansprechen und den Patient*innen ist es auch peinlich darüber zu reden. Dadurch wird weniger getestet, als es eigentlich notwendig wäre.

 

Bei jenen mit der PrEP ist das einfach, das ist das Teil des „Packages“, da gehört das dazu. Tatsächlich finden wir da auch viele STIs. Im Übrigen auch viele, wo gar keine Symptome vorliegen, aber wo trotzdem Keime und Bakterien gefunden und dann auch behandelt werden. Natürlich ist die Gruppe der PrEP-User*innen eine Gruppe, die ein Risikoverhalten hat, das mit anderen Patient*innengruppen nicht unbedingt vergleichbar ist. Also die Intensität wie man auf Geschlechtskrankheiten screent muss man natürlich an das Risikoverhalten anpassen. Also man darf auch jetzt nicht übertreiben mit den Checks.

 

Ich glaube allerdings tatsächlich, und das sehen wir auch, dass immer mehr Frauen zu uns kommen und diese STI-Checks machen wollen. Und ich glaube, dass das bei Gynäkologie und Dermatologie, die eigentlich dafür zuständig wären, auch ein bisschen tabuisiert wird oder unter den Tisch fällt. Daher kommen die Frauen fast lieber zu uns, weil wir von vorneherein aufgrund unserer Selbstdefinition für sexuelle Gesundheit zuständig sind und das deshalb auch nicht peinlich ist, das hier anzusprechen. Das entspricht ja auch unserer DNA, sozusagen.

 

Ich glaube, da ist ein Aufholbedarf, gerade bei Frauen oder überhaupt bei heterosexuellen Personen. Die MSM (Anm.: Männer, die Sex mit Männern haben) werden eh schon relativ gut gescreent und sind sensibilisiert. Sie haben selbst ein Bewusstsein dafür und kommen auch proaktiv, um sich testen zu lassen. Aber das trifft auf andere Bevölkerungsgruppen, vor allem auch auf Frauen, nicht so zu. Das ist auch erst in der Entwicklung.

sexuelle Gesundheit ist bei euch schon lange ein Schwerpunkt. Ab Jänner seid ihr ein Primärversorgungszentrum. was wird sich ändern?

Die Angebote bleiben im Prinzip so bestehen, wir haben eben doppelt so lange Öffnungszeiten. Also jeden Tag von früh bis spät, konkret ist das Montag, Dienstag und Donnerstag von 8 bis 19 Uhr, Mittwoch von 7 bis 12 und am Freitag von 8 bis 17 Uhr.

 

Wir bekommen auch mehr Platz zur Verfügung und stellen unsere Systeme um. Wir wollen dann vor allem mit Terminen arbeiten, um diese langen Wartezeiten, die wir jetzt haben, zu verkürzen. Also das ganze Management des Patient*innenflusses wird optimiert.

 

Im Prinzip bleibt von der Schwerpunktsetzung alles so bestehen wie es ist. Wir haben auch weiterhin unseren psychosozialen Betreuungs-„Arm“ durch die an.doc.stelle. Wir sind dann sechs „permanente“ Ärztinnen und Ärzte und haben dann auch weiterhin Sozialberatung, psychologische Beratung, Rechtsberatung, Transgender-Beratung und Ernährungsberatung.  

klingt spannend! Zum Abschluss würden wir gerne wissen, ob es aus eurer Sicht noch PrEP-Zielgruppen gibt, die besser adressiert werden sollten?

Im MSM-Bereich ist das Angebot bereits gut bekannt. Da wird es sicher jetzt noch eine Steigerung geben durch das Fallen der finanziellen Barriere, aber ich glaube, da ist das Angebot schon gut verbreitet worden.  

 

Was intravenöse Drogen-Konsument*innen betrifft, glaube ich, dass die Spritzentausch-Programme und die Opiat-Substitution die wichtigsten Maßnahmen waren, die zu einer Reduktion der Infektionen geführt haben. Da ist die Tabletten-PrEP nicht so wichtig oder wird nicht so gut angenommen werden.

 

Was ich mir noch vorstellen könnte ist… Es gibt ja Untersuchungen, dass sich ein nicht unwesentlicher Prozentsatz an Personen mit Migrationshintergrund, die aus HIV-Hochprävalenz-Ländern kommen, erst in dem Land, in das sie gekommen sind, mit HIV anstecken und gar nicht mit HIV ins Land kommen. Da könnte man mehr tun, damit in dieser Personengruppe, wo es auch vermehrt zu heterosexuellen Übertragungen kommt, dass man da auch die PrEP noch besser promotet. Obwohl, das ist sicher nicht einfach, da kommt man schwer ran an diese Zielgruppe.  

Vielen Dank für das Interview!

über dr. florian breitenecker

Dr. Florian Breitenecker setzt sich als Allgemeinmediziner vor allem für ganzheitliche, bio-psycho-soziale Medizin ein, die diskriminierungsfrei ist. In seiner Praxis in 1060 Wien hat er sich mit seinem Team auch auf die Betreuung von Menschen mit HIV, Substitutionsbehandlung, STD-Behandlung, Chemsex-Beratung sowie Transgender-Medizin spezialisiert. 

 

Ab Jänner 2025 wird die Teampraxis Breitenecker in eine Primärversorgungseinheit mit deutlich längeren Öffnungszeiten umgewandelt. 

Marien Apotheke Wien

Mag. pharm. Karin Simonitsch

Schmalzhofgasse 1 • 1060 Wien 

 

T: 01/597.02.07 

F: 01/597.02.07–66

Email: info@marienapo.eu 

Onlineshopwww.mariechen.wien

 

      

 

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